Physikalisch-Chemische Praktika


S12 – Kohlendioxid in der Atemluft

Aufgabenstellung

  1. Aufnahme des Infrarot-Absorptionsspektrums von Luft bei unterschiedlichem COA2-Gehalt.
  2. Aufnahme des Infrarot-Absorptionsspektrums trockener Atemluft.
  3. Ermittlung des COA2-Gehaltes von Atemluft unter Nutzung des Lambert-Beerschen Gesetzes.

Grundlagen

  1. COA2 in der Atemluft.– COA2 ist eines der Endprodukte in der Atmungskette höherer Organismen. Es ist daher in der ausgeatmeten Luft in höherer Konzentration enthalten als in der eingeatmeten Luft.
    Der mittlere Gehalt an COA2 in der Atmosphäre beträgt derzeit ca. 400 ppm (0,4 Promille) und ist wegen der Verbrennung fossiler Energieträger im Steigen begriffen.
    Im Innenraumbereich kann die COA2-Konzentration deutlich höher sein. Selbst im Freien ist in Bodennähe eines Konzentration von 700 ppm üblich. Der Anteil des COA2 in ausgeatmeter Luft hängt stark davon ab, wie langsam ausgeatmet wird, wie lange also die Atemluft in der Lunge verbleibt. Der typische Gehalt liegt zwischen 2% und 6%.
  2. Das Lambert-Beersche Gesetz in der Gasphase.– COA2 kann in der Gasphase anhand seines Infrarot-Absorptionsspektrums nachgewiesen und quantitativ bestimmt werden. Notwendige Grundlagen zur quantitativen Analyse von Photoabsorptionsprozessen können der Praktikumsskripte zum Versuch S11 entnommen werden. Hier wird nur das Lambert-Beersche Gesetz in der für Absorptionsprozesse in der Gasphase üblichen Form angeführt: (1)E=lnI0I=σdkBTp. In Gl. 1 ist E die Extinktion der Strahlung durch die Probe, I0 gleich der Intensität der Strahlung nach dem Durchlaufen einer Küvette (Gaszelle), die die Probe nicht enthält; I ist die Intensität nach dem Durchlaufen der probehaltigen Küvette; d ist die optische Weglänge in der Gaszelle.
    Bei Messungen in der Gasphase ist es nämlich üblich, das Lambert-Beersche Gesetz auf den Partialdruck statt auf die Konzentration zu beziehen; aus dem allgemeinen Gasgesetz pV=nRT folgt c=nV=pRT; der Absorptionskoeffizient wird außerdem auf das Einzelmolekül bezogen und mit σ bezeichnet; er heißt dann Absorptionsquerschnitt, der üblicherweise in der Einheit cm2 angegeben wird. An die Stelle der Gaskonstanten R tritt wegen des Bezugs auf das Einzelmolekül die Boltzmann-Konstante k=RNA; es wird außerdem der natürliche Logarithmus ln statt des dekadischen Logarithmus verwendet.
    Gl. 1 impliziert eine lineare Beziehung zwischen der Extinktion und dem Partialdruck des Gases mit der Proportionalitätskonstanten σdkT. Durch Messung der Extinktion bei vorgegebenen Partialdrücken kann eine Kalibriergerade (»Lambert-Beer-Plot«) aufgenommen werden; der unbekannte Partialdruck des Gases in einer Probe kann dann durch Vergleich mit der Kalibrierkurve ermittelt werden.
    Das Lambert-Beersche Gesetz gilt auch für die Fläche unter einer Absorptionsbande, also einen ausgedehnten Wellenzahlbereich (Herleitung siehe beispielsweise in Ref. [3]). Dies wird als integrale Extinktion E bezeichnet; es handelt sich dabei um die Größe (2)E=ν~ν~(lnI0I)dν~. Die Einheit der integralen Extinktion ist cm1.
  3. Das Infrarot-Absorptionsspektrum von COA2

    COA2 weist drei Normalschwingungen auf [1]:

    Der vollständige Schwingungszustand des Moleküls wird durch die Gruppe (ν1,ν2,ν3) angegeben; beispielsweise ist der schwingungslose Grundzustand durch (0, 0, 0) charakterisiert; die gleichzeitige Anregung von ν1 mit einem Schwingungsquant und ν2 mit zwei Schwingungsquanten durch (1, 2, 0).

    Von den Normalschwingungen sind nur ν2 und ν3 infrarotaktiv, da die Schwingung ν1 nicht zu einer Änderung des Dipolmomentes führt. Beachten Sie, dass ν12ν2.

    Im Infrarot-Absorptionsspektrum können Banden entsprechend den Übergängen (0,0,0))(0,1,0) und (0,0,0)(0,0,1) unmittelbar beobachtet werden (vgl. Abb. 1). Zusätzlich findet man im Bereich um 3700cm1 weitere Absorptionsbanden, die sich aus Kombinationsschwingungen von ν3+ν1 sowie ν3+2ν2 ergeben. Da ν12ν2, wechselwirken unter den gegebenen Symmetrieverhältnissen die entsprechenden Übergänge miteinander (Kopplung durch Fermi-Resonanz). Bei der Kopplung der beiden Zustände entsteht eine Linearkombinationen der Zustände (1,0,1) und (0,2,1).

    Für das Nachfolgende ist aber nur die (0,0,0)(0,0,1)-Bande relevant, die wegen der ausschließlichen Beteiligung von ν3 am vibrationell angeregten Zustand auch als ν3-Bande bezeichnet wird. Nur diese ν3-Bande wird in den experimentell beobachteten Spektren nicht durch die Anwesenheit anderer Moleküle im Strahlengang, insbesondere gasförmiges Wasser, gestört.

    Abb. 1: Infrarot-Absorptionsspektrum von COA2 in der Gasphase. Zu den Bezeichnungen der beobachteten Übergänge siehe Text.[2]

Durchführung

  1. Die Messungen werden an einem kommerziellen Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer (Shimadzu IR-Affinity) durchgeführt. Die spektrale Auflösung beträgt ca. 0,5cm1. Für Messungen gasförmiger Proben verfügt das Gerät über eine 5 cm lange Gaszelle, die beidseitig durch Kaliumbromid (KBr)-Fenster abgeschlossen ist und durch zwei seitlich angebrachte Ventile mit Gas gefüllt bzw. abgepumpt werden kann. Alle Spektren werden als Untergrundspektren aufgenommen, die Ermittlung von lnI0I wird nachfolgend mit einer Datenanalyse-Software wie Igor Pro ausgeführt.
  2. Zur Herstellung von Proben mit unterschiedlichem COA2-Gehalt wird einer Druckdose mit Hilfe eines Nadelventils COA2 entnommen und bei Messung des Drucks in einen zuvor evakuierten Kolben überführt. Das Ventil zur Druckdose wird geschlossen und der Kolben wird mit Luft gefüllt. Hierdurch entsteht eine Luftprobe mit eingestelltem COA2-Partialdruck. Danach erfolgt die Überführung des COA2-Luft-Gemisches in die Gaszelle.
    Für die Messungen werden COA2-Partialdrücke von 20 mbar bis 90 mbar in 10-mbar-Schritten verwendet. Man erhält auf diese Weise die Extinktion bei 8 verschiedenen COA2-Partialdrücken. Aus den sich hieraus ergebenden Spektren kann eine Kalibrierkurve erstellt werden.
  3. Nach Abschluss der Kalibrierspektren-Messungen wird die Zelle mit ausgeatmeter Atemluft befüllt. Wegen der Feuchtigkeits­empfindlichkeit der KBr-Fenster muss die Atemluft vor der Überführung in die Gaszelle getrocknet werden. Hierzu wird sie durch eine mit Silicagel-Trockenmittel gefüllte Waschflasche geleitet, in einer zweiten Waschflasche gespeichert und dann über ein Ventil in die Gaszelle eingelassen.
    Ein Versuchsteilnehmer pustet also in einen Schlauch, der mit der ersten Waschflasche verbunden ist und atmet langsam und kräftig aus. Der Zuleitungsschlauch zur ersten Waschflasche muss bei der Versuchsdurchführung aus hygienischen Gründen zwingend mit einem frischen Mundstück versehen sein.
  4. Die Zelle wird evakuiert und das Infrarot-Spektrum wird erneut aufgenommen. Dieses Spektrum zeigt die Absorption durch COA2 im Strahlengang des Spektrometers; das Spektrometer ist nämlich luftgefüllt, so dass sich auch hier eine Schwächung der Infrarot-Strahlung durch COA2 einstellt. Dieses Spektrum wird im Folgenden als Leerspektrum bezeichnet.
    Das Leerspektrum ist in der Abb. 2 gezeigt.

    Abb. 2: Intensität der IR-Strahlung als Funktion der Wellenzahl bei evakuierter Gaszelle ("Leerspektrum"). Die Einhüllende mit einem Maximum bei ca. 1700 cm1 entspricht der Intensitätsverteilung der Infrarot-Lichtquelle (einer Glühkeramik). Die Abschwächung der Strahlung erfolgt durch Gase, die sich im Strahlengang befinden; das sind im wesentlichen Wasser und Kohlendioxid. Das für die Zwecke dieses Versuchs wichtigste Signal von COA2 entspricht der Normalschwingung ν3 und wird im Bereich 2250-2400 cm1 gefunden. Sehr intensive und breite Signale von Wasser findet man im Bereich 1300-2000 cm1 sowie 3500-4000 cm1, wo es mit den Kombinationsschwingungen des COA2 überlappt, so dass diese für die Untersuchungen nicht verwendet werden. Das Signal von 630-720 cm1 entspricht der Biegeschwingung von COA2; es ist von geringer Intensität und daher für die Untersuchungen weniger geeignet.

Auswertung

  1. Die Rohdaten der einzelnen Spektren mit variablen COA2-Partialdrücken werden als Textdatei abgespeichert und mit Hilfe einer geeigneten Datenanalyse-Software (Igor Pro) Fourier-transformiert, so dass die Transmission als Funktion der Wellenzahl gezeigt wird.
  2. Die Spektren werden auf denselben Lichtfluss normiert; dieser unterscheidet sich in den einzelnen Spektren geringfügig voneinander (Instabilitäten in der Lichtquelle). Dabei dient das Leerspektrum als Referenz. Alle anderen Spektren werden mit einem Faktor multipliziert, so dass der Lichtfluss in der Umgebung der ν3-Bande gleich ist. Der Faktor ist nur geringfügig von Eins verschieden. Die Normierung wird für alle Spektren, einschließlich der Atemluftspektren, durchgeführt.
  3. Abb. 3 zeigt die Transmission bei einem Partialdruck von pCOA2=60mbar; beachten Sie, dass die Transmission im Bereich der ν3-Bande deutlich erkennbar abgenommen hat, weil das zusätzlich im Strahlengang befindliche COA2 zur Lichtschwächung beiträgt.

    Abb. 3: Transmission im infraroten Spektralbereich bei einem Partialdruck von pCOA2=60mbar in der Zelle. Beachten Sie die abnehmende Transmission im Bereich der ν3-Bande im Vergleich zum Leerspektrum in der Abb. 2.

  4. Jedes der auf den Lichtfluss normierten erzeugten Infrarot-Spektren wird durch das Leerspektrum dividiert. Nachfolgend wird dieses dividierte Spektrum logarithmiert. Für p=60mbar ergibt sich das in der Abb. 3 gezeigte Spektrum im Bereich 500-4000 cm1.

    Abb. 4: Extinktion (lnI0I) im infraroten Spektralbereich bei einem Partialdruck von pCOA2=60mbar in der Zelle. Dies ist das Infrarot-Absorptionsspektrum von COA2. Im Bereich um 1500 cm1 treten Störungen durch Wasser auf.

  5. Für alle in dieser Art bearbeiteten Spektren wird die Fläche unter dem Spektrum im Bereich 2280cm1<ν<2390cm1 berechnet. Bei dieser Fläche handelt es sich um die integrale Extinktion der ν3-Bande von COA2.
    Falls Sie hierzu das Programm Igor verwenden und Ihr Spektrum spec1 heißt, lautet der Befehl zum Berechnen und Ausgeben der Fläche:

    print area(spec1, 2280, 2390)

    Erstellen Sie nachfolgend eine Tabelle, in die die integrale Extinktion zusammen mit dem jeweiligen Druck eingetragen ist.
  6. Erstellen Sie (z.B. mit Igor) eine Abbildung, die die integrale Extinktion als Funktion des COA2-Partialdruckes dargestellt ist. Führen Sie eine lineare Regression (»line fit«) der Daten aus. Dies liefert die Kalibrierkurve zur Messung des COA2-Partialdruckes in Atemluft. Die Abbildung sollte ungefähr wie folgt aussehen (Abb. 5):

    Abb. 5: Kalibrierkurve zur Bestimmung des COA2-Partialdruckes in Atemluft. Die eingetragenen Punkte stammen aus der integralen Extinktion der ν3-Bande von COA2 für vorgegebene Partialdrücke. Die integrale Extinktion der ν3-Bande in Atemluft muss in die Kalibrierkurve eingetragen werden.

  7. Die Extinktion durch die Atemluft wird in die Kalibrierkurve eingetragen und der entsprechende Partialdruck an COA2 wird an der Abszisse abgelesen. Diese Bestimmung des COA2-Gehaltes der Atemluft wird für alle Teilnehmer an dem Praktikumsversuch durchgeführt.
    Hinweis: Der COA2-Gehalt der Atemluft hängt sehr stark davon ab, wie langsam ausgeatmet wird. Resultate von Testmessungen sind in der Abb. 6 gezeigt:

    Abb. 6: Kalibrierkurve zur Bestimmung des COA2-Partialdruckes in Atemluft mit farbig eingetragenen Ergebnissen für drei Testpersonen. Der Praktikumsleiter (blauer Kreis) hat am längsten ausgeatmet...

    Da der Luftdruck ungefähr 1000 mbar beträgt, kann der prozentuale Anteil an COA2 in Atemluft auf einfache Weise berechnet werden.

Literatur

[1] P. E. Martin, E. F. Barker, The Infrared Absorption Spectrum of Carbon Dioxide, Phys. Rev. 41, 291–303 (1932).

[2] https://webbook.nist.gov/cgi/cbook.cgi?ID=C124389&Units=SI&Type=IR-SPEC&Index=1#IR-SPEC

[3] T.G. Mayerhöfer, A. V. Pipa, J. Popp, Beer’s Law-Why Integrated Absorbance Depends Linearly on Concentration, ChemPhysChem 20, 2748 – 2753 (2019).


Version: 09.12.11.2021 (Joshi, Flesch)