\(\newcommand{\diff}{{\rm d}}\)
\(\newcommand{\pdiff}{{\partial}}\)
\(\newcommand{\ohm}{\Omega}\)
\(\newcommand{\Ohm}{\Omega}\)
Physikalisch-Chemische Praktika
E3 Aktivitätskoeffizient
Stichworte zur Vorbereitung:
Den Kontext der folgenden Stichworte sollten Sie zur Vorbesprechung und
während der Durchführung des Praktikumstermins kompetent besprechen können:
Wasserstoff-Elektrode,
Standard-Wasserstoff-Elektrode,
Silber/Silberchlorid-Elektrode,
Elektroden erster und zweiter Art,
Debye-Hückel-Theorie,
Aktivitätskoeffizient,
Standardpotential,
Einzelpotential,
Nernstsche Gleichung,
Temperaturabhängigkeit des Redoxpotentials,
Strombrücke.
Machen Sie sich anhand der im Literaturverzeichnis genannten
Bedienungsanleitung mit der Wirkungsweise der verwendeten Gasdiffusionselektrode
Hydroflex (Gaskatel) und mit der Bedienung derselben vertraut.
Aufgaben
- Herstellung einer Silber/Silberchlorid-Elektrode.
- Messung der Zellspannung einer galvanischen Kette aus einer
Wasserstoff-Elektrode und einer Silber/Silberchlorid-Elektrode im
gleichen Elektrolyten (Salzsäure)
als Funktion der Konzentration (Verdünnungsreihe).
- Ermittlung des Standardpotentials ε0(Ag/AgCl) der hergestellten
Elektrode.
- Ermittlung des mittleren Aktivitätskoeffizienten \(f_{\pm}\) der Salzsäure
für die in der Verdünnungsreihe verwendeten Konzentrationen.
Theoretische Grundlagen
- (a) Das praktische Einzelpotential \(\varepsilon\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right)\) einer
Silber/Silberchlorid-Elektrode (Ag/AgCl-Elektrode)
ist gegeben zu
\begin{equation*}
\varepsilon\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right)=\varepsilon^{0}\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right)
- \frac{RT}{F} \cdot \ln
a_{\ce{Cl-}}.
\end{equation*}
Bei Messungen in einer HCl-Verdünnungsreihe ändert sich demnach auch das
Potential der Ag/AgCl-Elektrode.
(b) Das praktische Einzelpotential einer Wasserstoffelektrode \(\varepsilon\left(\ce{H2}/\ce{H+}\right)\) ist gegeben zu
\begin{equation*}
\varepsilon\left(\ce{H2}/\ce{H+}\right)=\varepsilon^{0}\left(\ce{H2}/\ce{H^+}\right)
+ \frac{RT}{F} \cdot
\ln \frac {a_{\ce{H^{+}}}}{\sqrt{\frac{p_{\ce{H2}}}{p^{0}}}}
\end{equation*}
mit dem Standarddruck \(p^{0}\).
Die Wasserstoffstoffelektrode steht unter einem Druck
\(p\left(\ce{H2}\right)=p^{0}\), daher gilt mit \(\varepsilon^{0}\left(\ce{H2}/\ce{H+}\right)=0\):
\[
\varepsilon\left(\ce{H2}/\ce{H+}\right) = \frac{RT}{F}\cdot \ln a_{\ce{H+}}.
\]
-
Die Zellspannung \(E\) der galvanischen Kette
Pt|\(\ce{H2}_{\rm gasf.}\)|\(\ce{HCl}_{\rm aq}\)|\(\ce{AgCl}_{\rm s}\)|\(\ce{Ag}_{\rm s}\)
ergibt sich aus der Differenz der praktischen Einzelpotentiale:
\begin{align*}
E &= \varepsilon\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) -
\varepsilon\left(\ce{H2}/\ce{H+}\right)\\
&= \varepsilon^0\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) - \frac{RT}{F} \cdot \ln
a_{\ce{Cl-}} - \frac{RT}{F}\cdot \ln a_{\ce{H+}}\\
%&= \varepsilon^0\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) - \frac{RT}{F} \cdot \left( \ln
%a_{\ce{Cl-}} + \ln a_{\ce{H+}}\right)\\
\end{align*}
Nach Umstellen der Logarithmen ergibt sich:
\begin {equation} \label{eqPot1}
E = \varepsilon^0\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) - \frac{RT}{F} \cdot \ln
\left(a_{\ce{Cl-}} \cdot a_{\ce{H+}}\right)\\
\end {equation}
- Für die Aktivität \(a_{i} = c_{i} \cdot f_{i}\) einer Ionensorte \(i\)
liefert die Debye-Hückeltheorie
mit der Ionenstärke \(I\) gemäß
\[
I = \frac{1}{2} \cdot \sum_{i} c_{i} z_{i}^2
\]
für \(I\leq
10^{-3}\) mol/L näherungsweise:
\begin{equation}\label{eqlnf}
\ln f_{i} = - A \cdot z_{i}^2 \cdot \sqrt{I}
\end {equation}
mit \(A = 1,172\;{\rm \sqrt{\frac{mol}{L}}}\) für Wasser bei
Raumtemperatur.
Für den (1,1)-Elektrolyten HCl ist \(I=c\).
Individuelle Aktivitätskoffizienten sind
grundsätzlich nicht experimentell
bestimmbar. Nur der mittlere Aktivitätskoeffizient \(f_{\pm}\) eines (m,n)-Elektrolyten
ist zugänglich:
\[
f_{\pm} = \sqrt[m+n]{f_{-}^{n}\cdot f_{+}^{m}}.
\]
Für den (1,1)-Elektrolyten HCl ergibt sich
\[
f_{\pm} = \sqrt{f_{+}\cdot f_{-}}.
\]
- Unter Berücksichtigung der Aktivitätskoeffizienten nimmt Gl. \ref{eqPot1} folgende Form an:
\begin {equation*} \label{eqPot2}
E = \varepsilon^0\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) - \frac{RT}{F} \cdot \ln
\left(c_{\ce{Cl-}} \cdot c_{\ce{H+}} \cdot f_{\pm}^{2}\right)
\end{equation*}
bzw. mit \(c_{\ce{Cl-}} \cdot c_{\ce{H+}}=c_{\ce{HCl}}^2\) und
\(c_{\ce{H^+}} = c_{\ce{Cl^-}}\) durch Umstellen:
\begin{equation}
{E=\varepsilon^{0}\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) - 2\frac{RT}{F} \cdot \ln
\left(c_{\ce{HCl}} \right) - 2
\frac{RT}{F} \cdot \ln f_{\pm}.}
\end {equation}
Ordnen wir so um, dass die experimentellen Größen (Zellspannung und
Konzentration) auf der linken Seite der Gleichung stehen, so erhalten wir:
\begin{equation} \label {eqPot3}
\boxed{E + 2\frac{RT}{F} \cdot \ln
\left(c_{\ce{HCl}} \right) =\varepsilon^{0}\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) - 2
\frac{RT}{F} \cdot \ln f_{\pm}.}
\end{equation}
Substituiert man auf der rechten Seite von Gl. \ref{eqPot3} \(\ln f_{\pm}\)
durch Gl. \ref{eqlnf}, so ergibt sich mit \(\sqrt{I} = \sqrt{c}\) für HCl:
\begin{equation} \label {eqPot4}
\boxed{E + 2\frac{RT}{F} \cdot \ln
\left(c_{\ce{HCl}} \right) =\varepsilon^{0}\left(\ce{Ag}/\ce{AgCl}\right) + 2
\frac{RT}{F} \cdot A \cdot z_{i}^2 \cdot \sqrt{c}.}
\end{equation}
Trägt man die linke Seite von Gl. \ref{eqPot4} über \(\sqrt{c}\) auf, so
ergibt sich für geringe Konzentrationen näherungsweise eine Gerade, deren
Extrapolation nach \(c\to 0\) das Standardpotential der Ag/AgCl-Elektrode
liefert. Ist dieses ermittelt, so lassen sich die mittleren
Aktivitätskoeffizienten für alle gemessenen Konzentrationen aus Gl.
\ref{eqPot3} (nicht Gl. \ref{eqPot4}!) ermitteln.
Praktische Durchführung
Herstellung einer Silber/Silberchlorid-Elektrode
Ein mit Stahlwolle
blank geriebener Silberstab wird gemeinsam mit einer Platinelektrode in
eine 1 M HCl(aq) eingetaucht. Die Silberelektrode wird anodisch
geschaltet, die Platinelektrode fungiert damit als Kathode. Für ca. 1 min
wird eine Spannung von ca. 5 V angelegt. In dieser Zeit überzieht sich die
Silberelektrode mit einer AgCl-Schicht. Im Anschluss wird die hergestellte
Elektrode gründlich mit entionisiertem Wasser gewaschen. Es ist darauf zu
achten, dass sämtliche Salzsäure-Reste entfernt werden.
Die Elektrode wird in einem Becherglas, das mit entionisiertem Wasser gefüllt
ist, gehaltert.
Messung der Zellspannung
Auf einem Magnetrührer befindet sich ein temperiertes Becherglas, das
nacheinander mit
HCl-Lösung der folgenden Konzentrationen gefüllt wird (alle Angaben in mol/L):
0,1/ 0,07/ 0,04/ 0,02/
0,01/ 0,007/ 0,005/ 0,003/ 0,002/
0,001/ 0,0006/ 0,0004.
Pipetten und Messkolben werden zur Verfügung gestellt. Die genannten
Konzentrationen werden aus vorgegebenen Lösungen durch Verdünnen
auseinander hergestellt (Verdünnungsreihe). Verwenden Sie hierzu entionisiertes Wasser, das in
einem Vorratsbehälter aufbewahrt wird, damit es Raumtemperatur aufweist.
Die Zellspannung wird für jede Konzentration bestimmt. Hierzu wird ein
hochohmiges Voltmeter verwendet (Digitalmultimeter, Eingangswiderstand
\(> 5\cdot10^6 \Omega\) - prüfen Sie den Eingangswiderstand mit einem weiteren
Digitalmultimeter).
Die Elektroden werden in die neue Lösung eingetaucht. Es wird ca. 2 Minuten
gründlich gerührt, damit in der Umgebung der Elektroden die korrekte
Konzentration auftritt. Achten Sie darauf, dass das Magnetrührstäbchen nicht
gegen die empfindlichen Elektroden schlagen kann. Vor der Messung wird der
Magnetrührer abgeschaltet.
Die Spannung zwischen der Ag/AgCl-Elektrode und der Wasserstoffelektrode wird
gemessen und der Messwert wird zusammen mit der Konzentration notiert.
Notieren Sie den Messwert
erst, wenn sich die Spannung nicht mehr ändert. Schwanken im Bereich einiger
mV können auftreten.
Zwischen den Messungen werden beide Elektroden in ein Becherglas mit
destilliertem Wasser gestellt. Nach Abschluss der Messungen werden beide
Elektroden in ein Becherglas mit destilliertem Wasser gestellt.
Sollwerte:
Sie sollten annähernd folgende Wertepaare mit der
Silberelektrode als Pluspol erhalten: 0,1-M HCl:
\(\approx\) 300-350 mV; 0,01-M HCl: 420-470 mV; 0,001-M HCl: 530-580 mV. Dies
sind nur Anhaltspunkte, die eine völlige Fehlmessung vermeiden sollen.
Datenanalyse
- Stellen Sie die Größe
\(E + 2\frac{RT}{F}\cdot \ln c_{\ce {HCl}}\)
graphisch über \(\sqrt{c(\ce {HCl})}\) dar und ermitteln Sie aus dem Grenzwert
für \(\sqrt{c(\ce {HCl})} \to 0\) das Standardpotential der Ag/AgCl-Elektrode.
Die Abbildung hat hinsichtlich der graphischen Darstellung und der
Beschriftung den üblichen Standards zu genügen.
- Fertigen Sie eine Tabelle an, die die folgenden Spalten enthält:
Messdaten und Datenauswertung |
\(\frac{c(\ce{HCl})}{\rm mol/L}\) |
\(\frac{E}{\rm V}\) |
\(\frac{E^{ ^{ }} + 2\frac{RT}{F}\cdot \ln c_{\ce {HCl}}}{\rm V}\) |
\(\frac{\sqrt{c(\ce{HCl})}}{\sqrt{\rm mol/L}}\) | \(f_{\pm}\) |
Tragen Sie die Messwerte und die Resultate Ihrer Auswertung in die Zeilen der
Tabelle ein.
Falls Sie Fehler in der Skripte finden, bittet die Praktikumsleitung um Mitteilung.