\(\newcommand{\diff}{{\rm d}}\) \(\newcommand{\pdiff}{{\partial}}\) \(\newcommand{\ohm}{\Omega}\) \(\newcommand{\Ohm}{\Omega}\)

Physikalisch-Chemische Praktika


S14 — Schwingungsanalyse

Einleitung

In diesem Praktikumsversuch werden theoretische Infrarotspektren für die Moleküle Kohlstoffmoxid, Kohlenstoffdioxid, Methanal, Methansäure und Methanol berechnet. Wie aus den vorherigen Versuchen hervorgegangen ist, ist die Infrarotspektroskopie eine leistungsstarke Methode zur Untersuchung molekularer Schwingungen. Die theoretische Berechnung ermögliicht es, diese Schwingungen auf atomarer Ebene zu verstehen. Die durch quantenchemischer Methoden berechneten Schwingungsspektren der genannten Moleküle werden analysiert und die Übereinstimmung mit experimentellen Daten bewertet. Dieser Versuch bietet eine spannende Gelegenheit, die Verbindung zwischen theoretischer Chemie und experimenteller Analytik zu erkunden und grundlegende Einblicke in die molekulare Struktur und Dynamik zu gewinnen.

Quantenchemische Grundlagen

Die erfolgreiche Durchführung dieses Versuches setzt elementare Kenntnisse aus den Bereichen der molekularen Quantenmechanik (Vorlesung PC-II: »Physikalische Chemie II - Atombau und chemische Bindung«) und der Moleküsymmetrie (Vorlesung »Molekülsymmetrie«) voraus.
Die Grundlagen der Quantenchemie können in Skript des Versuches S1 nachgelesen werden und sind in der Lehrbuchliteratur ausführlich beschrieben [1][2].

Orca

Alle Rechnungen in diesem Versuch werden mit dem Programmpaket Orca durchgeführt. Orca ist ein großes Programmsystem zur Berechnung der elektronischen Struktur von Molekülen mit Hilfe von ab-initio-Methoden (Hartree-Fock, CI, CC, MPn, etc.), einigen semi-empirischen Verfahren sowie der Dichtefunktionaltheorie (DFT). Darüber hinaus gestattet es die Berechnung von Schwingungsfrequenzen, thermodynamischen Eigenschaften, Abschirmkonstanten für die NMR-Spektroskopie, Übergangszuständen und Lösungsmitteleffekten. Da es (relativ) übersichtlich und einfach zu bedienen ist, ermöglicht es vor allem auch Nicht-Theoretikern einen Zugang zu quantenchemischen Berechnungen und damit zur quantitativen Beschreibung molekularer Strukturen und chemischer Reaktionen. Außerdem ist das Open Source Programm für die nicht-kommerzielle Verwendung für alle frei zugänglich. Um eine quantenchemische Rechnung mit Orca durchzuführen, ist es zunächst nötig, eine sog. Input-Datei zu erzeugen. Beispiel-Inputs für das Orca-Programm finden Sie in der Orca Input Library.

Inputs haben einen programmspezifischen Syntax:
  1. # Das ist ein Kommentar
  2. ! PBE0 def2-tzvp
  3. *xyz 0 1
  4. C 0.0 0.0 0.0
  5. O 0.0 0.0 1.1030
  6. *
Nach einem ! folgen einfache Keywords. Am Keyword PBE0 erkennt das Programm, dass das DFT Funktional PBE0 verwendet werden soll. Nach einem * erfolgt die Eingabe der geometrischen Struktur als Element + Kartesische Koordinaten (xyz). 0 1 beziehen sich auf eine neutrale Ladung und Singlet-Multiplizität (Entartung, 2S+1). Die Moleküle können mit Programmen wie molden, avogadro oder chemcraft visualisiert werden. Dabei kann auch die elektronische Struktur (wie z. B. Molekülorbitale) oder Normalmoden visualisiert werden.

Qualität der Rechnungen

Die erreichte Genauigkeit von quantenchemischen Rechnungen wird im wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt:

Vorbereitung

  1. Bringen Sie einen USB-Stick oder Cloud-Zugang mit um die Daten abzuspeichern.
  2. Bringen Sie die gemessenen Spektren der folgenden Moleküle mit: CO, CO2, CH4, Methanol, Methanal, Methansäure, Wasser, SF6 (bzw. jene die gemessen wurden).
  3. Wiederholen sie den Inhalt des Symmetriekurs-Skripts (siehe Skript).
  4. Rekapitulieren sie die Schritte die sie im Rahmen des Praktikumversuches S1 mit Orca gelernt haben.
  5. Falls notwendig frischen sie ihre Linuxkenntnisse mit folgenden Einführungsvideos für die Kommandozeile auf Linux auf. Linux Shell and Command Line, Files and Directories.

Aufgaben während des Praktikumsversuches

(Um Orca nutzen zu können, verwenden sie folgenden Befehl, wenn immer sie einen neuen Terminal öffnen: source /home/steinerl/.zshrc. Bitte achten Sie darauf, für jede Rechnung eine neue Inputdatei zu erstellen. Sie können die alten Dateien mit cp old.inp new.inp duplizieren.)
  1. Erstellen des Inputs für CO zur automatisierten Normalmodenanalyse

    a.) Verwenden Sie gedit co.inp um ein leeres Textfile mit dem Namen "co.inp" zu öffnen. Das Funktional PBE0 und den Basissatz def2-TZVP sollen für die Rechnungen verwendet werden. Verwenden Sie opt um Orca zu sagen, dass die geometrische Struktur optimiert werden soll und freq um eine Frequenzrechnung zu starten.

    b.) Starten Sie die Rechnung mit orca co.inp > co.out. Überprüfen Sie im Output, ob die Rechnung korrekt durchgeführt wurde. Öffnen sie dazu die Outputdatei mit einem Texteditor ihrer Wahl z.B. gedit OUTPUTFILE. Kopieren Sie die Frequenzen und Oszillatorstärken vom Output in ein Tabellenverarbeitungsprogramm (Suchen sie dazu in dem Outputfile nach "VIBRATIONAL FREQUENCIES" oder "IR SPECTRUM"). Visualisieren Sie das Molekül, die Normalmoden und das IR-Spektrum mit avogadro (avogadro2-nightly). Machen Sie ein Bild vom Molekül.

  2. Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von CO2

    a.) Duplizieren Sie das alte Inputfile mit Hilfe von CO2 mit cp co.inp co2.inp. Bearbeiten Sie den Input so, dass CO2 berechnet wird. Verfahren Sie wie bereits in Punkt 1b.) beschrieben.

    b.) Das berechnete IR-Spektrum soll im Detail mit dem experimentellen Spektrum verglichen werden. Diskutieren Sie dabei Rovibrationsschwingungen, Kombinationsschwingungen, Entartung und Fermiresonanz, sowie Unterschiede zwischen berechneten Schwingungen und experimentell gemessenen Banden.

    c.) Ordnen Sie den Normalmoden die korrekte irreduzible Darstellung zu. Begründen Sie mit Überlegungen zu den Auswahlregeln, welche Schwingungen IR aktiv und/oder Raman aktiv sind.

  3. Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von CH4

    a.) Erstellen Sie xyz-Koordinaten von CH4 und speichern diese als ch4.inp ab. Verändern Sie den neuen Input so, dass dieser das CH4 Molekül optimiert und die Frequenzen berechnet. Verfahren Sie wie bereits im Punkt 1b.) beschrieben.

    b.) Vergleichen Sie das berechnete Spektrum mit dem experimentellen Spektrum und diskutieren Sie Unterschiede.

    c.) Ordnen Sie den Schwingungen die korrekten irreduziblen Darstellungen zu. Begründen Sie mit Überlegungen zu den Auswahlregeln, welche Schwingungen IR aktiv und/oder Raman aktiv sind.

  4. Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von Methanal, Methanol, Methansäure

    Erstellen Sie die Inputdatei des Ihnen zugeordneten Moleküls. Verfahren Sie wie bereits im Punkt 1b.) beschrieben. Tauschen Sie die Daten aus und diskutieren Sie die IR-Spektren innerhalb Ihrer Gruppe. Wie Ändern sich die Banden funktioneller Gruppen? Inwieweit stimmen die Änderungen mit den Änderungen der experimentellen Daten überein?

  5. Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von SF6

    Erstellen Sie die Inputdatei für eine Frequenzanalyse von SF6 (Sie benötigen keine Geometrieoptimierung). Verwenden sie dazu die nachfolgende Struktur:

        *xyz 0 1
          S   -0.70219775099412     2.13238740181768    -0.00180305879553
          F   -0.57998024746820     1.89998402461521     1.54059548727095
          F   -0.82442419966153     2.36478378552738    -1.54419454576890
          F   -1.31646168664230     0.70217787255529    -0.16812148493491
          F   -2.13715403808967     2.72527216741418     0.20051964044408
          F    0.73274917020929     1.53949152892770    -0.20412514133204
          F   -0.08794824735347     3.56258021914250     0.16451710311634
        *
        
    Die Frequenzanalyse dauert ungefähr 8-10 Minuten, daher lohnt es sich diese Rechnung früh anzufangen. Vergleichen sie das berechnete mit dem experimentellen Spektrum

    Zusätzliche Aufgaben

    1. Wasserdimer

      Erstellen Sie die Inputs eines H2O-Monomers und eines (H2O)2-Dimers. Das Wasserdimer soll genau eine H-Brücke haben. Verfahren Sie wie bereits im Punkt 1b.) beschrieben. Wie beeinflusst die Wasserstoffbrücke die Schwingungsfrequen zen?

    Literatur

    [1] W. Kutzelnigg, Einführung in die Theoretische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim 2001.
    [2] T. Engel, P. Reid, Physikalische Chemie, Kapitel 27, San Francisco: Pearson Benjamin Cummings 2006.
    Version: 06.06.2024 (Steiner, Petry, Paulus)