Die Grundlagen der Quantenchemie können in Skript des Versuches S1 nachgelesen werden und sind in der Lehrbuchliteratur ausführlich beschrieben [1][2].
Orca
Alle Rechnungen in diesem Versuch werden mit dem Programmpaket
Orca durchgeführt.
Orca ist ein großes
Programmsystem zur Berechnung der elektronischen Struktur von
Molekülen mit Hilfe von ab-initio-Methoden (Hartree-Fock, CI, CC,
MPn, etc.), einigen semi-empirischen Verfahren sowie der
Dichtefunktionaltheorie (DFT). Darüber hinaus gestattet es die
Berechnung von Schwingungsfrequenzen, thermodynamischen Eigenschaften,
Abschirmkonstanten für die NMR-Spektroskopie, Übergangszuständen
und Lösungsmitteleffekten. Da es (relativ) übersichtlich und
einfach zu bedienen ist, ermöglicht es vor allem auch
Nicht-Theoretikern einen Zugang zu quantenchemischen Berechnungen und
damit zur quantitativen Beschreibung
molekularer Strukturen und chemischer Reaktionen.
Außerdem ist das Open Source Programm für die nicht-kommerzielle Verwendung für alle frei zugänglich.
Um eine quantenchemische Rechnung mit
Orca
durchzuführen, ist es zunächst nötig, eine sog. Input-Datei zu
erzeugen.
Beispiel-Inputs für das
Orca-Programm finden Sie in der
Orca Input Library.
Inputs haben einen programmspezifischen Syntax:
- # Das ist ein Kommentar
- ! PBE0 def2-tzvp
- *xyz 0 1
- C 0.0 0.0 0.0
- O 0.0 0.0 1.1030
- *
Nach einem ! folgen einfache Keywords.
Am Keyword PBE0 erkennt das Programm, dass das DFT Funktional PBE0 verwendet werden soll.
Nach einem * erfolgt die Eingabe der geometrischen Struktur als Element + Kartesische Koordinaten (xyz).
0 1 beziehen sich auf eine neutrale Ladung und Singlet-Multiplizität (Entartung, 2S+1).
Die Moleküle können mit Programmen wie
molden,
avogadro oder
chemcraft visualisiert werden.
Dabei kann auch die elektronische Struktur (wie z. B. Molekülorbitale) oder Normalmoden visualisiert werden.
Qualität der Rechnungen
Die erreichte Genauigkeit von quantenchemischen Rechnungen wird im
wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt:
- Verwendete Methode:
Es gibt eine Vielzahl verschiedener quantenchemischer Methoden, die
mit verschiedenen Ansätzen und Aufwand versuchen, die Lösung des
elektronischen Problems zu nähern.
Dabei unterscheidet man zwischen
Methoden, die auf Näherungen für die elektronische Wellenfunktion
basieren wie Hartree-Fock (HF), darauf aufbauende
Methoden, und der Dichtefunktionaltheorie (DFT).
- Verwendeter Basissatz:
Quantenmechanische Systeme werden mit Hilfe von Basisfunktionen beschrieben.
Basisfunktionen sind Atomorbitale.
Prinzipiell gibt Basisfunktionen für s-Orbitale, p-Orbitale, d, f, g, h ...
Für eine exakte Beschreibung sind unendlich viele Basisfunktionen notwendig.
Je mehr Basisfunktionen man benutzt, desto besser ist das Ergebnis,
gleichzeitig steigt aber auch der Rechenaufwand an.
Für eine Lösung des Problems muss eine endlich Menge davon ausgewählt werden.
Vorbereitung
- Bringen Sie einen USB-Stick oder Cloud-Zugang mit um die Daten abzuspeichern.
- Bringen Sie die gemessenen Spektren der folgenden Moleküle mit: CO, CO2, CH4, Methanol, Methanal, Methansäure, Wasser, SF6 (bzw. jene die gemessen wurden).
- Wiederholen sie den Inhalt des Symmetriekurs-Skripts (siehe Skript).
- Rekapitulieren sie die Schritte die sie im Rahmen des Praktikumversuches S1 mit Orca gelernt haben.
- Falls notwendig frischen sie ihre Linuxkenntnisse mit folgenden Einführungsvideos für die Kommandozeile auf Linux auf.
Linux Shell and Command Line,
Files and Directories.
Aufgaben während des Praktikumsversuches
(Um
Orca nutzen zu können, verwenden sie folgenden Befehl, wenn immer sie einen neuen Terminal öffnen:
source /home/steinerl/.zshrc
. Bitte achten Sie darauf, für jede Rechnung eine neue Inputdatei zu erstellen.
Sie können die alten Dateien mit
cp old.inp new.inp
duplizieren.)
- Erstellen des Inputs für CO zur automatisierten Normalmodenanalyse
a.) Verwenden Sie gedit co.inp
um ein leeres Textfile mit dem Namen "co.inp" zu öffnen. Das Funktional PBE0 und den Basissatz def2-TZVP sollen für die Rechnungen verwendet werden. Verwenden Sie opt um Orca zu sagen, dass die geometrische Struktur optimiert werden soll und freq um eine Frequenzrechnung zu starten.
b.) Starten Sie die Rechnung mit orca co.inp >
co.out
. Überprüfen Sie im Output, ob die Rechnung korrekt durchgeführt wurde. Öffnen sie dazu die Outputdatei mit einem Texteditor ihrer Wahl z.B. gedit OUTPUTFILE
. Kopieren Sie die Frequenzen und Oszillatorstärken vom Output in ein Tabellenverarbeitungsprogramm (Suchen sie dazu in dem Outputfile nach "VIBRATIONAL FREQUENCIES" oder "IR SPECTRUM"). Visualisieren Sie das Molekül, die Normalmoden und das IR-Spektrum mit avogadro (avogadro2-nightly
). Machen Sie ein Bild vom Molekül.
- Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von CO2
a.) Duplizieren Sie das alte Inputfile mit Hilfe von CO2 mit cp co.inp co2.inp
. Bearbeiten Sie den Input so, dass CO2 berechnet wird. Verfahren Sie wie bereits in Punkt 1b.) beschrieben.
b.) Das berechnete IR-Spektrum soll im Detail mit dem experimentellen Spektrum verglichen werden. Diskutieren Sie dabei Rovibrationsschwingungen, Kombinationsschwingungen, Entartung und Fermiresonanz, sowie Unterschiede zwischen berechneten Schwingungen und experimentell gemessenen Banden.
c.) Ordnen Sie den Normalmoden die korrekte irreduzible Darstellung zu. Begründen Sie mit Überlegungen zu den Auswahlregeln, welche Schwingungen IR aktiv und/oder Raman aktiv sind.
- Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von CH4
a.) Erstellen Sie xyz-Koordinaten von CH4 und speichern diese als ch4.inp
ab. Verändern Sie den neuen Input so, dass dieser das CH4 Molekül optimiert und die Frequenzen berechnet. Verfahren Sie wie bereits im Punkt 1b.) beschrieben.
b.) Vergleichen Sie das berechnete Spektrum mit dem experimentellen Spektrum und diskutieren Sie Unterschiede.
c.) Ordnen Sie den Schwingungen die korrekten irreduziblen Darstellungen zu. Begründen Sie mit Überlegungen zu den Auswahlregeln, welche Schwingungen IR aktiv und/oder Raman aktiv sind.
- Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von Methanal, Methanol, Methansäure
Erstellen Sie die Inputdatei des Ihnen zugeordneten Moleküls. Verfahren Sie wie bereits im Punkt 1b.) beschrieben. Tauschen Sie die Daten aus und diskutieren Sie die IR-Spektren innerhalb Ihrer Gruppe. Wie Ändern sich die Banden funktioneller Gruppen? Inwieweit stimmen die Änderungen mit den Änderungen der
experimentellen Daten überein?
- Normalmodenanalyse und IR-Spektrum von SF6
Erstellen Sie die Inputdatei für eine Frequenzanalyse von SF6 (Sie benötigen keine Geometrieoptimierung). Verwenden sie dazu die nachfolgende Struktur:
*xyz 0 1
S -0.70219775099412 2.13238740181768 -0.00180305879553
F -0.57998024746820 1.89998402461521 1.54059548727095
F -0.82442419966153 2.36478378552738 -1.54419454576890
F -1.31646168664230 0.70217787255529 -0.16812148493491
F -2.13715403808967 2.72527216741418 0.20051964044408
F 0.73274917020929 1.53949152892770 -0.20412514133204
F -0.08794824735347 3.56258021914250 0.16451710311634
*
Die Frequenzanalyse dauert ungefähr 8-10 Minuten, daher lohnt es sich diese Rechnung früh anzufangen. Vergleichen sie das berechnete mit dem experimentellen Spektrum
Zusätzliche Aufgaben
- Wasserdimer
Erstellen Sie die Inputs eines H2O-Monomers und eines (H2O)2-Dimers. Das
Wasserdimer soll genau eine H-Brücke haben. Verfahren Sie wie bereits im Punkt
1b.) beschrieben. Wie beeinflusst die Wasserstoffbrücke die Schwingungsfrequen
zen?
Literatur
[1] W. Kutzelnigg, Einführung in die Theoretische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim 2001.
[2] T. Engel, P. Reid, Physikalische Chemie,
Kapitel 27, San Francisco: Pearson Benjamin Cummings 2006.