K13 Viskosität von Flüssigkeiten und Platzwechsel-Energie
Aufgabenstellung
Experimentelle Bestimmung der kinematischen Viskosität \(\nu\) von 1-Hexanol (\(\ce{OH-(CH2)_6-H}\)) in der Einheit \(\frac{\rm mm^2}{\rm s} = {\rm cS}\) (Centistokes) als Funktion der Temperatur im Bereich \(20\;^0{\rm C} \leq T \leq 60\;^0{\rm C}\) in \({\rm 5\,^0C}\)-Schritten mithilfe eines temperierten Ubbelohde-Viskosimeters (Xylem).
Ermittlung der dynamischen Viskosität \(\eta\) in der Einheit \(\frac{\rm g}{\rm m \cdot s} = {\rm cP}\) (Centipoise) aus der kinematischen Viskosität \(\nu\) und der temperaturabhängigen Dichte \(\rho\) von 1-Hexanol.
Ermittlung der Aktivierungsenergie des molekularen Platzwechsels unter Nutzung der Carrancio-Gleichung für 1-Hexanol in der Einheit \(\frac{\rm kJ}{\rm mol}\).
1 Theoretische Grundlagen
Viskosität.– Unter der Viskosität verstehen wir das Widerstreben einer Flüssigkeit gegenüber einer makroskopischen Bewegung. Sie tritt in Erscheinung sowohl bei innerer Bewegung (Beispiel: Rühren, Kneten) als auch beim Transport der Flüssigkeit durch Rohre oder beim Transport eines Körpers durch eine Flüssigkeit in Erscheinung und ist daher technisch bei Transportprozessen aller Art von sehr hoher Bedeutung [Kraume_2012].
Molekularer Impulstransport.–
Die Abb. K13-1 zeigt eine Flüssigkeit zwischen zwei Wänden des Abstandes \(L\), von denen sich die eine unter dem Einfluss einer Kraft \(F\) mit der Geschwindigkeit \(v\) in \(x\)-Richtung bewegt; die andere Wand ist in Ruhe.
Die Kraft \(F\), die notwendig ist, um die Wand mit der Geschwindigkeit \(v_x\) in \(x\)-Richtung zu bewegen, ist proportional zu ihrer Fläche \(A\). Eine Kraft \(F\) ist definiert ist als zeitliche Änderung eines Impulses \(p\):
\[
F = \dot{p} = \frac{\diff p}{\diff t},
\]
entspricht \(\frac{F}{A} = \frac{1}{A} \cdot \frac{\diff p}{\diff t}\) dem auf die Fläche \(A\) bezogenen Impulsübertrag aus der bewegten Wand in die mitbewegte Flüssigkeit (wenn kein Impulstransport stattfände, könnte sich die Flüssigkeit nicht mitbewegen; die gesamte Kraft \(F\) wird ausschließlich zum Impulsübertrag in die Flüssigkeit verwendet).
Für den Impulstransport aus der bewegten Wand in die Flüssigkeit gilt das Fließgesetz:
Der auf die Fläche bezogene Impulsübertrag \(\diff p\) je Zeiteinheit \(\diff t\) ist proportional zur Änderung der Geschwindigkeit \(v_x\) senkrecht zur Bewegungsrichtung der Wand, also in die Flüssigkeit hinein (entlang \(y\)).
Wenn die Änderung der Geschwindigkeit in y-Richtung linear ist (vgl. Abb. K13-1), können wir auch schreiben:
\[
\frac{1}{A} \cdot \frac{\diff p}{\diff t} = \eta \cdot \frac{\Delta v_x}{\Delta y}.
\]
Da \(v_x\) an der ruhenden Wand gleich Null ist, können wir für \(\Delta y\) setzen: \(\Delta v_x = v_x\), und wir erhalten damit die vereinfachte Form der Fließgleichung:
\[
\frac{1}{A} \cdot \frac{\diff p}{\diff t} = \eta \cdot \frac{v_x}{L}.
\]
Mit \(\frac{\diff p}{\diff t} = F\) können wir Gl. \ref{eqFliessgesetz} unter den im Kleindruck angegebenen Voraussetzungen umformen in:
\begin{equation*}
F = \eta \cdot \frac {A \cdot v_{x}}{L}.
\end{equation*}
Der Proportionalitätsfaktor \(\eta\) in Gl. \ref{eqFliessgesetz} wird als dynamische Viskosität bezeichnet. Die SI-Einheit der Viskosität ergibt sich durch Auflösen nach \(\eta\) zu
\[
\left[\eta\right] = \frac{\rm kg}{\rm m \cdot s} = \frac{\rm N \cdot s}{\rm m^2} = {\rm Pa \cdot s}.
\]
Als praktische Einheit der dynamischen Viskosität wird \({\rm mPa \cdot s} = \dfrac{\rm g}{\rm m \cdot s} \) verwendet; diese Einheit wird auch als Centipoise (cP) bezeichnet, es ist also
\[
1000\;{\rm cP} = 1\;{\rm Pa} \cdot {\rm s}
\]
Neben der dynamischen Viskosität \(\eta\) existiert auch die kinematische Viskosität \(\nu\); sie ist wie folgt definiert:
\begin{equation} \label {eqDefKinViscos}
\nu = \frac{\eta}{\rho}
\end{equation}
Es ist die kinematische Viskosität, die wir im Versuch K13 experimentell bestimmen.
In Gl. \ref{eqDefKinViscos} ist \(\rho\) die Dichte der Flüssigkeit; \(\nu\) ist also die auf die Dichte der Flüssigkeit bezogene Viskosität.
Die SI-Einheit der kinematischen Viskosität \(\nu\) ist
\[
[\nu] = \frac{[\eta]}{[\rho]} = \frac{\rm m^2}{\rm s}.
\]
Als praktische Einheit wird \(\dfrac{\rm mm^2}{\rm s}\) verwendet. Diese Einheit wird auch als Centistokes (cS) bezeichnet.
Größe
Symbol
Praktische Einheit
Bezeichnung
Dynamische Viskosität
\(\eta\) ("eta")
\(\dfrac{\rm g }{\rm m \cdot s} = {\rm mPa \cdot s}\)
Centipoise (cP)
Kinematische Viskosität
\(\nu\) ("nü")
\(\dfrac{\rm mm^2}{\rm s}\)
Centistokes (cS)
Temperaturabhängigkeit der Viskosität
Der viskose Fluss gehört zu den thermisch aktivierten Vorgängen: die Viskosität einer Flüssigkeit nimmt mit steigender Temperatur stark ab.
Da die Transporteigenschaften von Flüssigkeiten in vielen verfahrenstechnischen Zusammenhängen von großer Bedeutung sind, wurden verschiedene rein empirische (= nicht aus theoretischen Modellvorstellungen abgeleitete) Gleichungen entwickelt, um die Temperaturabhängigkeit der Viskosität \(\eta = \eta(T)\) von Flüssigkeiten zu beschreiben.
Die Andrade-Gleichung ist eine oft verwendete empirische Gleichung zur Charakterisierung der Temperaturabhängigkeit der dynamischen Viskosität \(\eta\); sie weist den Vorteil auf, dass sie eine theoretische Ausdeutung erlaubt und lautet:
\begin{equation}\label{eqAndrade}
\eta = A \cdot \exp \left(\frac{B}{T} \right).
\end{equation}
Nutzen wir statt der Viskosität \(\eta\) deren Kehrwert, die Fluidität \(\phi\) mit
\[
\phi = \eta^{-1},
\]
so nimmt Gl. \ref{eqAndrade} die folgende Form an (Carrancio-Gleichung):
\begin{equation} \label{eqCarrancio}
\phi = \phi_0 \cdot \exp \left(-\frac{B}{T}\right)
\end{equation}
mit \(\phi_0 = \frac{1}{A}\)
oder logarithmiert:
\begin{equation} \label{eqCarrancioLog}
\ln \phi = \ln \phi_0 -\frac{B}{T}
\end{equation}
Trägt man also \(\ln \phi\) über \(\frac{1}{T}\) als unabhängiger Variabler auf (\(1/T\) entspricht dem \(x\)-Wert und \(\ln \phi\) dem \(y\)-Wert der Funktion), so gilt für die Steigung \(m\):
\[
m = -B.
\]
Die Steigung mit umgekehrtem Vorzeichen entspricht dem Parameter \(B\).
Die Gl. \ref{eqCarrancio} und \ref{eqCarrancioLog} erinnern formal an die aus der chemischen Reaktionskinetik bekannte Arrhenius-Gleichung \(k = k_0 \cdot \exp \left(-\frac{E_A}{RT}\right)\) mit der Aktivierungsenergie \(E_A\).
Auch im Falle der Carrancio-Gleichung \ref{eqCarrancio} bzw. \ref{eqCarrancioLog} kann der Parameter \(B\) in Analogie zur Arrhenius-Gleichung formal als
\begin{equation} \label{eqAkticvierungsenergie}
B = \frac{E_A}{R}
\end{equation}
geschrieben werden. Die Frage ist nur, was in diesem Zusammenhang unter der Aktivierungsenergie zu verstehen ist.
Viskosität und Platzwechsel-Energie
Fließerscheinungen in Flüssigkeiten können als molekularer Platzwechsel gedeutet werden. In einem molekularen Modell kann eine Flüssigkeit als quasi-kristallin beschrieben werden [Wirtz_1948]. Quasikristallin bedeutet , dass hinsichtlich der Anordnung benachbarter Teilchen ein Teilchen von einer bestimmten mittleren Anzahl Nachbarn in bestimmtem mittlerem Abstand umgeben ist, so daß das einzelne Teilchen kaum „merkt", ob es einem Flüssigkeitsverband oder einem Kristall angehört. In einer Flüssigkeit sind viele Leerstellen (Löcher) enthalten, die den Fehlstellen eines Kristalls entsprechen. Eine Bewegung erfolgt, indem ein Molekül der Flüssigkeit aus seiner bisherigen Position in eine Leerstelle springt (vgl. Abb. K13-2). Eingehendere Betrachtungen zum Phänomen des Platzwechsels finden Sie in Ref. [2] und insbesondere in Ref [Holzmüller_1957].
Dabei tauschen das Molekül und die bisherige Leerstelle die Position, weshalb von einem Platzwechsel gesprochen wird. Um die neue Position einzunehmen, muss das Molekül aus seiner bisherigen Koordinationssphäre austreten. Hierzu ist wegen der attraktiven Wechselwirkung zwischen dem Molekül und seiner bisherigen Koordinationssphäre Energie erforderlich. Nach dem Platzwechsel weist das System dieselbe Energie auf wie vorher, da nur das Molekül und die Leerstelle den Platz gewechselt haben. Während des Platzwechsels muss aber eine Energie-Barriere überwunden werden. Dies entspricht der Situation bei chemischen Reaktionen, bei denen eine Aktivierungsenergie überwunden werden muss, damit das reagierende System aus seiner bisherigen in seine neue Anordnung gelangen kann.
Die Aktivierungsenergie für Platzwechselprozesse in Flüssigkeiten wird als Platzwechsel-Energie bezeichnet. Damit ist der Bezug der Andrade-Gleichung \ref{eqAndrade} bzw. der Carrancio-Gleichung \ref{eqCarrancio} auf die Arrhenius-Gleichung hergestellt: nur derjenige Anteil der Moleküle, der über genügend Energie verfügt, kann durch Platzwechsel an den Prozessen teilnehmen, und dieser Anteil nimmt, gerade so wie bei chemischen Reaktionen, mit steigender Temperatur zu.
Kapillarviskosimetrie
Die Messung der Viskosität einer Flüssigkeit wird als Viskosimetrie bezeichnet; die entsprechenden Geräte nennt man Viskosimeter (engl. viscometer). Wegen der hohen verfahrenstechnischen Bedeutung der Viskosität gibt es eine Vielzahl von Messverfahren.
Kapillarviskosimeter beruhen auf der Messung der Durchflusszeit eines Flüssigkeitsvolumens durch eine Kapillare. Sie beruht auf einer Anwendung des Hagen-Poiseuillesche Gesetzes:
\begin{equation} \label{eqHagenPoiseuille}
\Delta p = \eta \cdot \frac{8 \, L \, Q}{\pi \, r^4}
\end {equation}
\(\Delta p\): Druckdifferenz in Pa längs der Strömungsstreck (\(p\) ist hier ein Druck, nicht ein Impuls);
\(\eta\): dynamische Viskosität in \(\rm{Pa \cdot s} \);
\(L\): Rohrlänge in \({\rm m}\);
\(Q\): Volumenfluss in \({\rm m^3/s } \);
\(r\): Rohr-Radius in \({\rm m}\).
Aus Gl. \ref{eqHagenPoiseuille} folgt, dass für jede Flüssigkeit mit einer von Null verschiedenen Viskosität ein Volumenfluss durch ein Rohr, also eine Strömung, nur unter dem Einfluss einer Druckdifferenz \(\Delta p\) längs des Rohres erfolgen kann. Gl. \ref {eqHagenPoiseuille} gilt nur für laminare Strömungen. Anschaulich bedeutet dies, dass die Strömung so langsam erfolgen muss, dass es zu keiner Wirbelbildung in der strömenden Flüssigkeit kommt. Weniger anschaulich: bei der Strömung darf der Geschwindigkeitsvektor des strömenden Mediums an keiner Stelle eine Komponente senkrecht zur Strömungsrichtung haben. Die strömenden Schichten (vgl. Abb. K13-1) gleiten also ohne Austausch von Teilchen aneinander vorbei (abgesehen von Diffusion). Bei den hier durchgeführten Experimenten können Sie die Strömungen stets als laminar annehmen.
Die Proportionalitätskonstante \(\eta\) ist die aus Gl. \ref{eqFliessgesetz} bereits bekannte dynamische Viskosität:
\begin{equation} \label{eqEtaDef}
\eta = \frac{\pi r^4}{8LQ} \Delta p
\end{equation}
Bei einer senkrecht aufgestellten Kapillare mit einem oberhalb angebrachten, genügend großen Vorratsgefäß ist \(\Delta p\) durch den Staudruck der Flüssigkeit gegeben:
\[
\eta = \frac{\pi r^4}{8LQ} \rho g h
\]
Mit dem Volumenfluss \(Q = \Delta V/\Delta t\):
\[
\eta = \frac{\pi r^4 \Delta t}{8L \Delta V} \rho g h
\]
Mit \(\Delta V = V_0\) (ein vorgegebenes Durchflussvolumen):
\[
\eta = \frac{\pi r^4 \Delta t}{8L V_0} \rho g h
\]
In dieser Gl. hängt die Viskosität \(\eta\) von der Dichte \(\rho\) der Flüssigkeit ab, aber mit
\(\eta/\rho = \nu\) (kinematische Viskosität) machen wir uns von der Dichte unabhängig:
\[
\nu = \frac{\pi r^4 g h}{8L V_0} \Delta t
\]
Wir definieren
\[
K = \frac{\pi r^4 g h}{8L V_0},
\]
\(\nu = \frac{\eta}{\rho}\) ist eine lineare Funktion von \(\Delta t\), der Durchflusszeit des Volumens \(V_0\) durch das Viskosimeter:
\begin{equation} \label{eqKViskosimeter}
\nu = \frac{\eta}{\rho}= K \cdot \Delta t
\end{equation}
Das Kapillarviskosimeter misst nicht die dynamische Viskosität \(\eta\), sondern die kinematische Viskosität \(\nu = \frac{\eta}{\varrho}\).
\(K\) ist die Viskosimeter-Konstante. Sie wird vom Hersteller des Viskosimeters durch Kalibrierung mit Flüssigkeiten bekannter Viskosität für jedes verkaufte Exemplar individuell ermittelt und mitgeteilt.
Die praktische Einheit der Viskosimeter-Konstante ist
\(K\) ist die entscheidende Größe bei der Bestimmung der Viskosität einer Flüssigkeit mit einem Kapillarviskosimeter.
2 Durchführung
Aufbau des Viskosimeters Zur Messung wird ein Ubbelohde-Viskosimeter Xylem Analytics 525 10 genutzt, dessen Aufbau in der Abb. K13-3 gezeigt ist. Das Gerät besteht im wesentlichen aus den drei Rohrteilen (1, 2 und 3), der Kapillare (7) mit dem Meßgefäß (8), der Vorlaufkugel (9), dem Niveaugefäß (5) und dem Vorratsgefäß (4). Ober und unter dem Meßgefäß (8) sind auf dem Rohr (2) die Ringmarken M1 und M2 eingeätzt; durch diese Marken ist sowohl das Durchflußvolumen der Probe abgegrenzt, als auch die mittlere Druckhöhe h festgelegt. Die Kapillare (7) endet im als Kugelkalotte ausgebildeten oberen Teil (6) des Niveaugefäßes (5). Über diese Kugelkalotte (6) läuft die Probe aus der Kapillare (7) in Form eines dünnen Films ab (hängendes Kugelniveau).
Einstellen der Messtemperatur
Das Ubbelohde-Viskosimeter befindet sich im Inneren eines Temperiermantels (Xylem Analytics 57700); die drei Rohre des Viskosimeters (vgl. Abb. K13-3) sind durch eine Metallabdeckung nach außen geführt (vgl. Abb. K13-3a). Der Temperiermantel ist mit einem Thermostaten verbunden, mit dessen Hilfe sich die Temperatur einstellen lässt. Da das Viskosimeter beständig von der Temperierflüssigkeit umströmt wird, stellt sich innerhalb einiger Minuten die Solltemperatur ein.
Die Temperatur der Probe wird mittels eines in das Rohr 3 eingeführten Thermometers gemessen. Es wird gewartet, bis sich bei einer gegebenen Solltemperatur eine konstante Temperatur der Probe eingestellt hat; diese ist nicht notwendigerweise mit der Solltemperatur identisch. Notieren Sie die genaue Temperatur in \(^0\;{\rm C}\).
Es wäre Zeitverschwendung, z.B. eine Temperatur von genau \(50\;^0{\rm C}\) erreichen zu wollen. Es können gerade so gut \(49\;^0{\rm C}\) oder \(51\;^0{\rm C}\) sein. Es kommt vielmehr darauf an, die Temperatur der Messung genau zu kennen.
Probenzufuhr Von der Probe werden etwa 12 ml durch das weite Rohr (3) in das Vorratsgefäß (4) gefüllt, bis die Oberfläche der Probeflüssigkeit zwischen den Marken M im Vorratsgefäß (4) liegt (vgl. Abb. K13-4 (links)). Da das Viskosimeter offen ist, ist der Füllstand in (5) gerade so hoch.
Vorbereitung der Messung Verschließen Sie Rohr (1) mit dem Finger und ziehen Sie mit einem an (2) befestigten Saugball (Peleus-Ball o.ä.) die Flüssigkeit aus dem Vorratsgefäß (4) nach oben in (2) hinein, bis die Flüssigkeit in die Vorlaufkugel (9) gestiegen ist. Die Flüssigkeit wird auch in Rohr (1) ein wenig aufsteigen (vgl. Abb. K13-4 (Mitte)).
Beginn einer Messung Entfernen Sie den Saugball von Rohr (2) und heben Sie den Finger von Rohr (3). Die Flüssigkeit wird sich in (2) nach unten bewegen. Aus (3) wird eine Luftblase in den Bereich (5) gelangen – dies ist das hängende Kugelniveau, um das herum die Flüssigkeit nach unten abläuft. Die Ausbildung des hängenden Kugelniveaus ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Messung! Starten Sie die Stoppuhr, sobald der Meniskus der Flüssigkeitsoberfläche die obere Messmarke \(M_1\) erreicht hat. Während des Fließvorgangs sollte das Viskosimeter so aussehen wie in der Abb. K13-5.
Ende einer Messung Stoppen Sie die Uhr, wenn der Meniskus der Flüssigkeitssäule in Rohr (2) die untere Messmarke \(M_2\) erreicht hat, und notieren Sie die Zeit \(\Delta t\) zwischen dem Erreichen der oberen und der unteren Messmarke. Diese Zeit (Flusszeit) bildet zusammen mit der Messtemperatur \(\theta\) in \(^0{\rm C}\) einen Datenpunkt.
Führen Sie Messungen der Flusszeit bei ungefähr den folgenden Temperaturen durch: \(20\;{\rm ^0C} - 60\;{\rm ^0C} \) in \(5^0\)-Schritten (neun Messwerte).
3 Auswertung
Berechnen Sie nach Gl. \ref{eqKViskosimeter} aus den ermittelten Flusszeiten die kinematische Viskosität \(\nu\).
Die Größe \(\Delta t\) in Gl. \ref{eqKViskosimeter} entspricht der Zeitdifferenz zwischen den Marken \(M_1\) und \(M_2\).
Sie müssen zur Auswertung die Konstante des von Ihnen verwendeten Viskosimeters verwenden! Die vom Hersteller (Xylem Analytics) mitgeteilten Konstanten der im Praktikum verwendeten Viskosimeter sind im Anhang dieser Skripte tabellarisch dargestellt.
Erstellen Sie eine Tabelle, deren Spalten die folgenden Daten umfassen sollen:
Messtemperatur
Flusszeit
Kinematische Viskosität \(\nu\).
Stellen Sie die erhaltene kinematische Viskosität über der Temperatur ähnlich wie in Abb. K13-5 graphisch dar.
Ermitteln Sie aus der kinematischen Viskosität \(\nu\) und der Dichte von 1-Hexanol bei den Messtemperaturen die dynamische Viskosität \(\eta\) in der Einheit \({\rm mPa \cdot s}\) entsprechend der Gleichung \ref{eqKViskosimeter}:
\[
\eta = \nu \cdot \rho.
\]
Für die Dichte \(\rho(\theta)\) von 1-Hexanol als Funktion der Celsius-Temperatur \(\theta\) liegen Literaturwerte vor [Chorążewski_2013]. Aus diesen lässt sich die nachfolgende quadratische Näherung herleiten:
\begin{equation} \label{eqDensity}
\rho(\theta) = 0.83266\;\frac{\rm g}{\rm cm^3} - 6.81\cdot 10^{-4}\;\frac{\rm g}{\rm cm^3 \cdot ^0C } \cdot \theta - 6.799 \cdot 10^{-7} \frac{\rm g}{\rm cm^3 \cdot ^{0}C^{2}} \cdot \theta^2.
\end{equation}
Die SI-Einheit der dynamischen Viskosität ist \({\rm Pa \cdot s} = \frac{\rm kg}{\rm m \cdot s}\); die üblicherweise verwendete Einheit ist das Poise \({\rm P} = \frac{\rm g}{\rm cm \cdot s}.\) Die dynamische Viskosität von 1-Hexanol wird am besten in der Einheit cP (Centipoise) ausgedrückt; \(100\;{\rm cP} = 1\;{\rm p}\).
Die Multiplikation der kinematischen Viskosität in der Einheit \(\frac{\rm mm^2}{\rm s}\) mit der Dichte in der Einheit \(\frac{\rm g}{\rm cm^3}\) führt unmittelbar zur dynamischen Viskosität in der Einheit cP.
In die SI-Einheit kann umgerechnet werden durch die Einheitengleichung
\[
1\;{\rm cP} = 1\cdot 10^{-3} \frac{\rm kg}{\rm m \cdot s}.
\]
Ergänzen Sie die oben erstellte Tabelle, deren Spalten insgesamt die folgenden Werte enthalten sollen:
Temperatur in \(^0{\rm C}\);
Fließzeit in \(\rm s\);
kinematische Viskosität in \(\dfrac{\rm mm^{2}}{\rm s}\);
Dichte \(\rho\) in \(\dfrac{\rm g}{\rm cm^3}\);
dynamische Viskosität in cP = \(\dfrac{\rm g}{\rm m \cdot s} \);
dynamische Viskosität in \(\dfrac{\rm kg}{\rm m \cdot s}\);
Fluidität \(\phi = \eta^{-1}\) in \(\dfrac{\rm m \cdot s}{\rm kg}\);
Natürlicher Logarithmus \(\ln \phi\) des Kehrwertes der dynamischen Viskosität.
reziproke Temperatur in \({\rm K^{-1}}\);
Tragen Sie in einer Graphik die errechneten Werte für \(\ln \phi \) über der reziproken Temperatur auf. Ermitteln Sie aus den dargestellten Punkten entsprechend Gl. \ref{eqCarrancioLog} eine Ausgleichsgerade (lineare Regression). Ermitteln Sie die Steigung \(b\) der Ausgleichsgeraden. Errechnen Sie aus \(b\) entsprechend Gl. \ref{eqAkticvierungsenergie} die Aktivierungsenergie \(E_A\) für den Platzwechsel (Platzwechsel-Energie) in der Einheit \(\frac{\rm kJ}{\rm mol}\). Orientieren Sie sich bei der graphischen Darstellung an der Abb. K13-6.
4 Fehlerrechnung
Fehler der kinematischen Viskosität \(\Delta \nu\): \(\nu\) ergibt sich durch Multiplikation der Viskosimeter-Konstante \(K\) und der jeweiligen Flusszeit \(\Delta t\). \(K\) ist um mindestens eine Größenordnung genauer als \(\Delta t\) und muss bei einer Angabe des Fehler mit 1 bzw. 1.5 signifikanten Stellen nicht berücksichtigt zu werden. Daher gilt für den relativen Fehler \(\delta \nu\):
\[
\delta \nu = \delta t.
\]
Der Messfehler in der Flusszeit beträgt ca. 1 Sekunde. Da mit sinkender Viskosität bei höherer Temperatur die Flusszeit abnimmt, steigt der relative Fehler mit steigender Temperatur an. Berechnen Sie den Mittelwert der relativen Fehler der Messungen und betrachten Sie diesen Mittelwert als relativen Fehler aller Messungen. Berechnen Sie hieraus den absoluten Fehler \(\Delta \nu\) der ermittelten Werte der kinematischen Viskosität. Sie brauchen in der entsprechenden Abbildung keine Fehlerbalken einzutragen, wenn die verwendeten Marker (entsprechend Abb. K13-5) genügend groß sind.
Fehler der Aktivierungsenergie für den Platzwechsel \(\Delta E_A\): Die Streuung der Einzelwerte von \(\frac{E_A}{R} = B\) wird durch die verwendete Analyse-Software zur Ermittlung der Ausgleichsgeraden als Standardabweichung \(\sigma\) geliefert. Betrachten Sie diese Standardabweichung als Fehler der Steigung \(\Delta B\). Aus Gl. \ref{eqAkticvierungsenergie} folgt, dass \(\delta B = \delta E_A\). Daraus können Sie den absoluten Fehler \(\Delta E_A\) ermitteln.
5 Anhang
Viskosimeter-Konstanten:
App.-Nr.
K [\(\frac{\rm mm^2}{\rm s^2} \)]
1095 092
0.01012
1095 587
0.01028
1095 706
0.009860
1095 707
0.01074
1095 785
0.01013
Literatur:
[Chorążewski_2013] M. Chorążewski, M. Dzida, E. Zorębski, M. Zorębski, J. Chem. Thermodynamics 58 389–397 (2013).
[Kraume_2012] M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg (2012).
[Wirtz_1948] K. Wirtz, Platzwechselprozesse in Flüssigkeiten, Z. Naturforschg. 3a, 672—690 (1948) Link.
[Holzmüller_1957] A. Holzmüller, Viskose Verformung und Fließen als Platzwechselbewegung, Kolloid-Zeitschrift 155, 110 (1957)Link.
Zur Einarbeitung in praktische Fragen der Viskositätsmessung wird empfohlen:
SI Analytics, Visco handbookLink.
Sind die Theorie und die Versuchsdurchführung genau genug erklärt? Steht Überflüssiges in der Skripte? Teilen Sie der Praktikumsleitung Ihre Auffassung mit!